Katastrophismus, Desasterverwaltung und nachhaltige Knechtschaft

von René Riesel, Jaime Semprun

Vorwort zur deutschen Übersetzung

Die subversive Kraft von Theorien und Hypothesen sollte daran gemessen werden, inwieweit sie eine Analyse der gesellschaftlichen Realität darstellen und ob diese in der Lage ist, Angriffspunkte zu identifizieren – Stellen, an denen man die Macht angreifen kann, um alle Verhältnisse umzuwerfen. Riesel und Semprun legen dar, wie drohende Katastrophen, hier v.a. die des ökologischen Kollaps, dazu dienen, die industrielle Gesellschaft zu erhalten und eine Reglementierung (und Moralisierung) von Oben durchzusetzen, welche die staatliche Macht ausbaut. Der Text Catastrophisme, administration du desastre et soumission durable erschien 2008, im Jahr der Finanzkrise, aber vor Fukushima und der jüngsten Klimabewegung. Und dennoch, oder gerade deshalb, ist dieser Text aktuell, da sich alle (staatlichen) Maßnahmen zur Bewältigung der drohenden Katastrophen immer stärker als Befehle offenbaren. Es ist eine Kritik an den staatlichen und aktivistischen Verwaltern der ökologischen Katastrophe, die einen (moralischen) Massenkonformismus propagieren. Es ist aber auch ein Text – und daher entstammt auch eine große Motivation diesen Text auf Deutsch zu übersetzten -, der sich in der Zeit von Covid-19, den staatlichen Maßnahmen zur Einschränkung von Viren, dem Konkretisieren eines Green New Deal (ein Begriff der 2007 das erste mal verwendet wurde) und anderen autoritären Methoden des Ausnahmezustands äußerst interessant liest.

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Desert

Vorwärts!

  • Tief in unseren Herzen wissen wir alle, dass die Welt nicht ›gerettet‹ werden wird

  • Aktive Desillusionierung ist befreiend

Etwas verfolgt viele Aktivist*innen, Anarchist*innen, Umweltschützer*innen, viele meiner Freund*innen. Es verfolgte auch mich. In unseren Subkulturen erzählen wir uns oft, dass es nicht da ist, dass wir es nicht sehen, nicht hören können. Unsere Wünsche für diese Welt verbieten es uns, es zu sehen. Trotz bester Bemühungen – kontinuierlichem Aktivismus, dem Aufbau von Bewegungen, einem angemessenem Leben als Ausdruck der eigenen Ethik – trotz alledem, nimmt das Gespenst für viele von uns Formen an. Das blasse Bild wird immer deutlicher, immer unvermeidbarer – bis einem das Gespenst ins Gesicht starrt. Genau wie bei vielen Ungeheuern aus den alten Märchen genügt ein Blickkontakt und mensch versteinert. Unfähig, sich zu bewegen. Von der Hoffnung verlassen, desillusioniert und inaktiv. Dieses Unwohlsein, das Versteinern, macht nicht nur die aktivistische Arbeit schleppend, ich konnte auch beobachten, wie es jede Facette des Lebens vieler meiner Freund*innen betraf.

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