San Antonio (Chile) 3. August 2024
Am Samstag, den 3. August, kam es gegen 21:50 Uhr in San Antonio in der chilenischen Region Valparaíso zu einem doppelten Brandanschlag gegen eine Zementfabrik und einen Konzern für Zusatzstoffe [Abbau von Kies und Sand], welche die Ufer des Flusses Maipo zerstören. Mehr als hundert Feuerwehrleute mussten zur Einsatzstelle eilen, um zu versuchen, die zehn Brände zu löschen, die LKWs und Betonmischanlagen in Mitleidenschaft gezogen hatten. Zu dieser Sabotage bekannte sich am nächsten Tag die „Célula Insurreccional por el Maipo – Nueva Subversión“ [Aufständische Zelle für den Maipo – Neue Subversion] durch ein auf informativoanarquista veröffentlichtes Bekenner*innenschreiben]
Switch off! Bekenner*innenschreiben zum Brandanschlag gegen die Zementfabriken „Melón“ und „Áridos Río Maipo“ (3. August, Sektor San Juan de Llolleo, Region Valparaíso, Chile)
„Wir, das sind die Geröllhaufen und Sandkörner im Getriebe einer Maschinerie, die unaufhaltsam vorwärts stampft. Wir, das sind Störfaktoren im Maschinenraum.» – Vulkangruppe
In der Nacht vom Samstag, dem 3. August, beschlossen wir, begleitet von den Kräften des Flusses, die Zementfabrik Melón und das Unternehmen Áridos Río Maipo SA in der Nähe der Mündung des Flusses Maipo anzugreifen. Wir haben versucht, den Betrieb dieser beiden Unternehmen lahmzulegen. Dazu sind wir in ihre Räumlichkeiten eingedrungen und haben ihre Fließbänder, Logistik- und Verwaltungsbüros in Brand gesteckt, indem wir dort zehn Brandsätze platzierten. Dies hatte die völligen Zerstörung ihrer Einrichtungen zur Folge. Damit haben wir unseren dritten Sabotageakt* verübt, mit welchen wir den Unternehmen, die das Leben entlang des Maipo-Flusses gefährden, erheblichen Schaden zufügen. Wir geben ihnen einen Teil des Schadens zurück, den sie jahrzehntelang dem Land und der Umwelt, in denen sie tätig sind, zugefügt haben, und tragen so zum Kampf gegen die Verwüstung bei. Es ist das einzige würdevolle, auf die Zerstörung der Erde und unseres Lebens mit der völligen Zerstörung dessen zu antworten, was sie verursacht.
Die Aktivität der Zement- und Zusatzstoffgewinnung [Abbau von Kies und Sand] führt in diesem Gebiet, sowie in anderen Teilen des Flusses, zu ökologischen Schäden und schafft eine weitere vergiftete Zone (es gibt insgesamt mindestens vier Beton-, Zement- und Zuschlagstoffunternehmen, die in der Region tätig sind) was eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für die in der Gegend lebenden Gemeinschaften zur Folge hat. Dies hat die örtliche Bevölkerung nicht gleichgültig gelassen, welche bereits gegen die Auswirkungen dieser schädlichen Industrietätigkeit protestiert hat. Doch unsere Intervention geht über diesen spezifischen Konflikt hinaus, an dem wir uns jetzt beteiligen, indem wir unsere Überzeugung für anarchistische revolutionäre Gewalt als konkrete und notwendige Methode zur Verschärfung des Konflikts um die Erde und für die völlige Befreiung, in die Praxis umsetzen.
Melón ist ein Zementunternehmen, das in Chile tätig ist und sich derzeit in den Händen eines mächtigen peruanischen Unternehmenskonglomerats (Grupo Breca, im Besitz der Familie Brescia-Cafferata) befindet, das seine Zementproduktion im gesamten Süden Abya Yalas [Name des amerikanischen Territoriums vor der europäischen Kolonialisierung] ausbauen will und diese Aktivität zu den anderen Wirtschaftszweigen hinzufügt, in denen es bereits tätig ist.
Daneben ist das Unternehmen für Zusatzstoffe Maestranza y Planta de Áridos Rio Maipo SA im Sektor des Maipo-Flusses in den Gemeinden Santo Domingo und San Antonio (Region Valparaíso) tätig, nicht ohne zuvor versucht zu haben, sich in der Gemeinde Navidad (Rancagua, Region VI) niederzulassen, und dort seine Aktivitäten aufzunehmen. Dies, ohne überhaupt mit einer Genehmigung der Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung der Region zu rechnen, was ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber den schädlichen Auswirkungen der Ausbeutung von Land und Flüssen zum Ausdruck bringt.
Neben diesen beiden angegriffenen Unternehmen gibt es in der Region zwei weitere Beton-/ Zementfabriken, darunter Cementos San Juan, das zum multinationalen UNACEM gehört, das ebenfalls das Land in mehreren Ländern von Abya Yala (USA, Ecuador, Chile, Peru, Kolumbien) verwüstet.
Die Auswirkungen für die Umwelt dieser beiden Aktivitäten [Zement und Zussatzstoffe] sind allgemein bekannt: Sie führen zur Zerstörung von Flüssen und zur Umweltverschmutzung. Sie bedrohen gleichzeitig das Leben und die Ökosysteme der Umgebung, in der sie tätig sind. Nicht umsonst ist in anderen Regionen der Ersten Welt, nach deren Lebensmodelle einige so sehr streben, die Gewinnung von Zusatzstoffen in Wassereinzugsgebieten verboten. Der Abbau von Zusatzstoffen und Mineralien an den Ufern von Flüssen beeinträchtigt deren Verlauf und Geschwindigkeit und führt zu Dolinen, die sich flussaufwärts durch einen Dominoeffekt vermehren (ein Phänomen, das als retrograde Erosion bezeichnet wird), wodurch die dort lebende Flora und Fauna zerstört wird und überschwemmungen der Böden und ähnliche Phänomene begünstigt werden.
Die Auswirkungen der Zementproduktion sind immens. Sie macht etwa 7 % der weltweiten CO²-Emissionen aus. (d. h. dreimal mehr als der Flugverkehr, der Platz drei der schmutzigsten Industrien belegt). Darüber hinaus werden all diese absurd großen Mengen an Zement, die täglich auf der ganzen Welt produziert werden (von denen etwa 150 Tonnen pro Sekunde verbraucht werden), aus Rohstoffen wie Sand, Kies und Steinen gewonnen, die aus Flusseinzugsgebieten oder durch Bohrungen im Bergbau gewonnen werden. Wobei die Mengen so riesig sind, dass, um den bedarf an Sand zu decken, ganze Strandabschnitte abgetragen und verschlungen werden.
Diese Industrien existieren, um das gegenwärtige Modell des zivilisierten Lebens zu verbreiten. Ein Modell, in dem sich der Zement jeden Tag auf noch mehr Land ausbreitet, Böden zermalmt und unter sich begräbt. Nur, um nach der Verdrängung und Zerstörung des Lebensraums von Fauna und Flora, welche Ökosysteme zum Leben erweckt, gewaltige Bauwerke zu errichtet. Ununterbrochen wachsen die Städte immer weiter in die Breite und Höhe und zerstören somit das natürliche Territorium. Die Parks dazwischen sind zwar angenehm, aber inmitten all der zementierten Scheisse auch nicht mehr als eine funktionale Blase in der Stadt. Regenwasser fließt nicht richtig in den Boden, die Hitze der Betonstadt ist erstickend und es gibt kaum noch Land zum Bepflanzen. Überall nichts als Zement und um ihn zu produzieren, sind diese extraktivistischen und umweltzerstörerischen Industrien notwendig. Diese graue und undurchsichtige Lebensweise hat schwerwiegende Folgen, denen wir nicht gleichgültig gegenüber stehen.
In Anbetracht der Tatsache, dass diese Unternehmen Teil der riesigen extraktivistischen Maschinerie sind, die es auf der ganzen Welt gibt; dass gezielt ganz Abya Yala dafür geopfert werden soll; dass die Ausbeutung der Erde eine lebenswichtige Arterie der Herrschaft ist; dass die Industrie, die für den Klimawandel aufgrund der globalen Erwärmung verantwortlich ist, kein wirkliches Interesse daran hat, ihre eigene Zerstörung zu beenden, sondern entschlossen ist, so zu tun, als sei sie ökologisch, um neue Energiequellen zu nutzen, die den Ökosystemen und unserem Leben erneut schaden; und vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns bewusst sind, dass jede*r einzelne von uns die einzigen sind, die gegen die fortschreitende Verwüstung ankämpfen können, halten wir es für dringend notwendig, die Industrie zu bekämpfen, die die Erde zerstört, und fügen unsere Initiative und unsere Aktion der internationalistischen Kampagne „Switch Off!“ hinzu, worüber wir in einem früheren Text mit dem Titel „Der Konflikt Abya Yala und seine Nähe zur Kampagne „Switch Off!-Anarchische Worte über den notwendigen Kampf für die Erde“ bereits geschrieben haben**.
Switch off! die Zementwerke und die Extraktion von Zuschlagstoffen!
Switch off! die Welt der Verwüstung und das System der Zerstörung!
Möge dieses Feuer eine Umarmung für die Gefährt*innen sein, die in anderen Territorien der Welt Schläge ausgeteilt haben, wie etwa die Angriffe in Deutschland auf die Zementfabriken der HeidelbergMaterials AG und Cemex [im März 2024 und im Dezember 2023], die Gefährt*innen, die die Gaspipelines in Mountain Valley – USA sabotiert haben, die Urheber*innen der Angriffe gegen Tesla, während wir wissen, dass der Angriff sofort und auf allen Gebieten erfolgen muss, in denen sich die Einrichtungen und Mittel derer befinden, die für die Zerstörung des Planeten verantwortlich sind, was so durch direktes und konfrontatives Handeln zum Dialog beiträgt, ohne jegliche Hoffnung auf institutionelle Prozesse oder Retter. Für diejenigen, mit denen wir uns in der Offensive befinden, Ermutigung und Liebe <3.
Wir verbrüdern uns auch mit dem Kampf für die Autonomie der Mapuche, die trotz der Kolonisierungsoffensive der chilenischen und argentinischen Staaten erhobenen Hauptes bleiben und ohne zu zögern mit Feuer und Kugeln auf die extraktivistische Industrie reagieren.
Aber die Staatsoffensive beschränkte sich nicht nur auf Wallmapu und die repressive Situation auf dem gesamten chilenischen Territorium verschärfte sich durch die Hand der Sozialdemokratie [die 2021 an die Macht kam] mit Ihrer autoritären und polizeilichen Politik gegen alles, dass den Interessen des kapitals und des Staates feindlich gegenübersteht. Sie tarnen ihre antirevolutionären Aktionen unter falschen Kampfbegriffen wie Ökologie und Menschenrechte oder indem sie sich selbst als pro-„indigene Völker“ und gegen geschlechtsspezifische Gewalt bezeichnet, obwohl es sich in jedem dieser Bereiche um Betrug handelt, denn sie verstärkt das Gegenteil. Wir sehen es zum Beispiel bei der repressiven Eskalation in Wallmapu, bei der unverhältnismäßigen und rachsüchtigen Verurteilung unseres anarchistischen Gefährten Francisco Solar, bei der repressiven Medienjagd gegen den historisch kämpferischen Bezirk Villa Francia, bei dem Anti-Besetzungsgesetz, das wahllos Landbesetzungen und Obdachlose kriminalisiert und verurteilt, beim Bau neuer Hochsicherheitsgefängnisse und vielen anderen offensichtlichen Aktionen zum Nutzen der Mächtigen und zum Nachteil der Ausgebeuteten und der Kämpfenden. Ganz zu schweigen von der Freilassung und völligen Straflosigkeit, die den Polizeibastarden Crespo und Sebastián Zamora, den uniformierten Mördern von Cristián Valdebenito und von Pablo Marchant und vielen anderen Fällen gewährt wurde. Unsere Solidarität gilt allen, die unter den Folgen der Repression und Inhaftierung, Verstümmelung, Verfolgung und Ermordung gelitten haben.
All dies ist weder mehr noch weniger als die Arbeit dieser „Volksregierung“, die gekommen ist, um den „Faschismus“ zu stoppen. Einer Regierung unter dem Kommando desjenigen, der in einem entscheidenden Moment die Hand der Macht geschüttelt hat, um zuzustimmen, die Revolte [von 2019] zu begraben und jede Möglichkeit einer Eskalation der Gewalt zu stoppen. Angesichts der Tatsache, dass all dies das Werk derjenigen ist, die die Unterstützung der irregeführten Wähler*innen der sogenannten kämpferischen Teile der Gesellschaft hatten, bringen wir unsere völlige Ablehnung des mitschuldigen Schweigens, der Schikanierung und des Stillstands der selbsternannten revolutionären Milieus zum Ausdruck, die versuchten, uns zu überzeugen, dass die Teilnahme an der Demokratie eine gute Idee sein könnte.
Wir verabscheuen alle, die im Namen des Kampfes das Wahlsystem und die repräsentative Demokratie unterstützen und sich aktiv daran beteiligen. Sie verteidigen damit nur die Struktur des neoliberalen und polizeilichen Regimes, da diese Institutionen und die Justiz immer zugunsten der Herrschenden und ihre repressiven Waffen sein werden. Wir sind empört über diese Milieus, die sich „Anarchist*innen“ oder „Revolutionäre“ nennen und an der Wahlshow teilgenommen haben, die diese Regierung bildet. Die, die heute, anstatt eine tiefe Selbstkritik zu üben oder den entscheidenden Schritt in Richtung offensiver Aktionen zu unternehmen, nach dem sie sich auf die Zunge gebissen haben, verstummen und der Unbeweglichkeit und den sterilen Reden erliegen, die wenig dazu beitragen, dieser Realität, die uns erdrückt, ein Ende zu setzen. Die einzige Antwort auf brutale Unterdrückung, die Inhaftierung unserer Gefährt*innen, politische Hinrichtungen und den Polizeistaat ist und bleibt autonomer Kampf und direkte Aktion, fernab demokratischer Institutionen und seinen Fallstricken. Wir haben es bereits gesagt und uns auf jahrhundertealte historische Kampferfahrungen gestützt, und heute, nachdem wir es ausgespuckt und den illusorischen Teilnehmer*innen der Demokratie ins Gesicht geworfen haben, wiederholen wir es noch einmal: Es gibt nichts, worüber man mit dem Feind verhandeln könnte. Der einzige Weg ist der Konflikt, ohne Kompromisse oder Halbherzigkeiten – Feuer dem Progressivismus und offener Krieg gegen jede Autoritäten!
In diesem Monat August, der von der Erinnerung an Santiago Maldonado und Macarena Valdés geprägt ist, gehen wir weiterhin den Weg der direkten Konfrontation, entfachen Feuer gegen die Zerstörung und hauchen der kämpferischen Erinnerung an unsere Toten Leben und Kontinuität ein.
Wir schließen uns auch dem Aufruf zu einer internationalen Woche der Agitation zur Unterstützung von Francisco Solar [10.-17. August] an, einem Gefährten, der derzeit vom chilenischen Staat für 86 Jahre in einem rachsüchtigen Regime der Einzelhaft eingesperrt ist. Lassen wir die vikitimistischen Narrative beiseite und greifen wir die Macht dort an, wo sie sich befindet, denn nur so können wir Francisco aus der Isolation befreien. Und je stärker diese Angriffe sind, desto größer wird ihre Kraft und damit auch ihr Ausmaß an Auswirkungen und Unterbrechungen sein, was den Ausdruck anarchischer Solidarität sicherlich stärken wird.
„Wir verstehen, dass der einzige Weg, am Leben zu bleiben, darin besteht, die Unterdrücker niederzuschlagen. Wir wissen, dass die Macht durch diese Angriffe nicht niedergeschlagen wird, aber das bedeutet nicht, dass wir tatenlos zusehen werden. Wir schlagen zu, weil wir keine bürgerliche Passivität in unserem Leben in Erwägung ziehen. Wir entfernen uns von den formalen Strukturen des Kampfes und nehmen, gebündelt durch Affinitäten, die Freude am Angriff in die Hände.
Lasst uns zerstörerische Feindseligkeiten entfesseln!“
SEDICIOSOS COMPLICES / FRACCIÓN POR LA VENGANZA [Aufrührerische Komliz*innen/ Fraktion für die Rache]
Eine starke, warme und innige Umarmung an Francisco Solar, Aldo, Lucas, Mónica Caballero, Tomás, Joaquín García, Panda, Rusio, Tortuga, an die Mapuche-Gefangenen, an die Gefangenen der Villa Francia und an die anarchistischen Gefangenen auf der ganzen Welt. Ein Impuls, ein Atemzug, eine Geste und ein Augenzwinkern, umgesetzt in Feuer gegen die Industrien der Herrschaft und Zerstörung, was es zu einem Teil des ausweitendem Feuer der Befreiung macht.
Sofortige Freilassung für Lonko Facundo Jones Huala [Mapuche-Gefangener], der sich derzeit in chilenischen Staatsgefängnissen im Hungerstreik befindet.
Von Wallmapu bis Palästina ist bewaffneter Widerstand gegen die koloniale Besetzung notwendig. Es ist auf allen Kontinenten möglich, gegen Genozid vorzugehen und den Kolonialismus dort zu zerstören, wo man auf ihn trifft.
„Greifen wir die Industrie und die Wirtschaft an, die vom Kolonialismus und der Zerstörung der Natur profitieren und eine lebenswerte Zukunft immer unmöglicher machen!“
Switch off! The System of Destruction.
Schaltet die Maschine aus. Zerstört die Maschine.
Bau, Claudia, Mauri, Angry, tortuguita und alle in der Aktion gestorbenen Anarchist*innen begleiten uns in der Offensive.
Für Anarchie, für die Erde, für unser Leben
„Célula Insurreccional por el Maipo – Nueva Subversión“ [Aufständische Zelle für den Maipo – Neue Subversion]
Anmerkung der Redaktion:
* Die chilenische Gruppe Célula insurreccional por el Maipo/Nueva Subversión hat sich bereits zu zwei weiteren Anschlägen bekannt. Der erste am 1. Oktober 2022 gegen das Kiesunternehmen Baeza in Puente Alto, dessen Bekenner*innenschreiben wir hier bereits übersetzt hatten. Und die zweite am 30. September 2023 in Puente Alto gegen den Schlachthof Faenadora y Frigorífico Cordillera (Schlachthof und Kühlanlage) der Dinacar- Gruppe, dessen Pressemitteilung hier nachgelesen werden kann. **