Ein entschlossener Kampf gegen die industrielle Zerstörung der Erde

Die Beherrschung der Natur

Der Mensch steht außerhalb und über der Natur, dazu ausersehen, über sie zu herrschen – diesen Blickwinkel auf die Welt lehrte uns die Bibel und das Christentum mit ihrem „mach dir die Erde Untertan“. Einen wissenschaftlichen Antlitz verschaffte dieser Ideologie die Aufklärung und ihre Wissenschaft, welche die Idee fortführte, dass der Mensch natürlicher „Besitzer und Beherrscher der Erde“ (Descartes) sei. Dieser Idee, dass die Erde dazu da sei vom Menschen unterworfen zu werden, war eine nötige Voraussetzung für die darauf folgende und sich stetig intensivierende Naturzerstörung, die Ausbeutung von Rohstoffen und Tieren, Vergiftung von Böden und Meeren, für Kriege gegen „die wilde Natur“ und „wilde Naturvölker“, für Kolonialismus und Genozide. Diese Idee, dass das höchste Ziel stets der „Fortschritt“ und der „Wachstum“ sei, hat es geschafft die Menschheitsgeschichte in einem bizarren Ausmaß zu beschleunigen, so dass es einem heutzutage schwer fällt zu verstehen, wie erheblich die Zerstörung ist, die der Mensch auf dem Planeten hinterlassen hat. Diese Idee, dass der Mensch über allem anderen Lebenden steht und die Rechtfertigung hat, alles andere Lebendige auf dem Planeten bis aufs letzte auszubeuten, hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir heute sind: Mitten in einer Natur- und Klimakatastrophe, die das Überleben auf der Erde erschüttert, verändert und für viele unmöglich machen wird.

Das System der Zerstörung

Der industrielle Kapitalismus hat den kompletten Globus kolonialisiert und ist das Netz, welches den ganzen Planeten umspannt und gefangen hält: Es gibt keine lokalen Probleme mehr – jedes Produkt auf dem Markt verbindet Menschen auf unterschiedlichen Weltteilen und an unterschiedlichen Orten der Produktionskette, jedes T-Shirt ist mit der Landnahme und der Vernichtung von Regenwald verbunden, mit der Macht der Agrarindustrie und den Auswirkungen von Düngemitteln, Pestiziden und anderen Chemikalien auf Flüsse und Grundwasser, dem Kollaps der Insektenpopulationen, mit globalen Ausbeutungsnetzwerken und Sweatshops, endlos wuchernden Slums, mit Kindern und Teenagern, die sich mit Akkordarbeit in gefährlichen Fabriken die Gesundheit ruinieren, mit Büros mit Panoramablick und Schweizer Bankkonten, mit Containerschiffen, die mit Schweröl angetrieben werden, Shoppingmalls und unendlichen Müllhalden, auf denen 80 Prozent der Fastfashion landet. Jeder Stofffetzen ist Teil eines globalen Netzwerkes des Profits und der Ausbeutung, der Abholzung und Zerstörung. Das beständige Streben des Kapitalismus zu wachsen und somit alle circa alle 25 Jahre seine Wirtschaftsleistung zu verdoppeln, hat uns an den jetzigen Punkt gebracht: Der Rohstoffverbrauch des Kapitalismus ist einerseits so groß geworden, dass er nicht mehr gestillt werden kann und andererseits ist die dadurch entstandene Zerstörung und Verschmutzung so verheerend, dass wir inmitten einer Katastrophe stecken in Folge welcher das industrielle System sämtliche Lebensgrundlagen langfristig zu zerstören droht.

Der Angriff des grünen Kapitalismus

Im Angesicht der durch ihn selbst hervorgerufenen verheerenden Naturzerstörung läutet derselbe Kapitalismus eine „grüne“ Zeitenwende ein – eine zynische und bizarre Antwort auf die andauernde verheerende Zerstörung. Er wirft sich in besorgte Schale und nennt sich fortan „klima- und CO2-neutral“ und hält gleichzeitig an dem immer gleichen industriellen Fortschritt und Wachstum fest. Eine neue Krise des Kapitalismus und die immer gleiche kapitalistische Lösung: Wirtschaftlicher Wachstum und technologische Innovation. Auch diesmal geht es darum neue Energiequellen auszubeuten, neue Infrastrukturen auszubauen, neue Produkte anzuwerben und neue Märkte zu erschließen – nur ist dieses mal alles elektronisch, digital, „nachhaltig“, „grün“, und „klimaneutralneutral“. Doch der grüne Kapitalismus und dessen neue Innovationen und Infrastrukturen sind die immer gleiche Fortführung der andauernden Ausbeutung der Natur: neue giftige Minen und Landnahme von Indigenen, Erschließung neuer Energiequellen auf Kosten von Natur und Mensch, Pipelines in jeder Himmelsrichtung, toxische Müllhalden… auch der Kapitalismus der E-Autos und Ökozertifikate hinterlässt nur abgeholzte Wälder, ausgelaugte Böden, überfischte Meere, ausgerottete Tiere, zerstörte Lebensräume, Verarmung, Elend und Krieg.

Alte Muster – neue Infrastruktur

Momentan baut Europa beispielsweise massiv seine Wasserstoff-, Gas-, Minen- und Windradinfrastruktur aus: Der Wasserstoff soll aus umkämpften Gebieten der indigenen Mapuche in Argentinien und Chile kommen, sowie aus Norwegen, welches diesen mit toxischem Erdgas fördert und letztlich auch aus einigen afrikanischen Ländern wie z.B. aus Namibia, der ehemaligen deutschen Kolonie, welche bald im großen Stil „grünen“ Wasserstoff liefern soll. Für die Wasserstoffinfrastruktur werden neue Pipelines in der Nordsee gebaut, als auch zwischen Spanien und Frankreich. In der Nordsee soll ebenfalls nach Gas gebohrt werden – zudem will Deutschland Gas im Atlantik vor dem Senegal fördern, wogegen Einheimische angesichts der drohenden Naturzerstörung und ausbleibenden Fischfänge protestieren. Gleichzeitig gibt es dank den blitzschnell fertiggestellten LNG-Terminals in der Nordsee massig Fracking-Gas-Lieferungen aus den USA – die Proteste der Anwohner:innen auf Rügen gegen die scheußlichen Terminals samt der neuen LNG-Pipeline sowie die Stimmen, die vor dem drohenden Aussterben des Schweinswals mahnten, wurden beim Bau einhellig überhört. Zu guter Letzt sollen 13.000 neue Windräder in Deutschland gebaut werden, welche zwei Prozent der gesamten Landesfläche bedecken sollen. Der Bau dieser Windräder wird insgesamt aus 1,8 Millionen Tonnen Kupfer (aus Peru und Chile), 95 Millionen Tonnen Zement und 30 Millionen Tonnen Stahl, sowie Eisenerz (aus Brasilien), Silber (aus Mexiko und Argentinien), Bauxit (aus Guinea) sowie Seltenen Erden (aus China) bestehen. Außerdem sollen etliche Offshore-Windfabriken in der Nordsee gebaut werden, deren Infrastruktur eine neue europäische „Stromautobahn“ bilden soll. In der EU gären darüber hinaus weitere irrwitzige Pläne wie z.B. eine unfassbar riesige Fläche Nord-Schwedens (im Gebiet der indigenen Sami, die bereits gegen riesige Windparks deutscher und schweizer Firmen in Norwegen kämpfen) in die größte Mine für Seltene Erden zu verwandeln…oder diverse Lithium-Minen in Frankreich und Portugal zu eröffnen oder Lithium aus dem Rhein zu gewinnen…

Die Absurdität des grünen Kapitalismus entblößen gleichzeitig Vorstöße wie der Vorschlag konzentrierten und hochgiftigen CO2-Müll in der Nordsee zu versenken (Habeck) oder Atomkraftwerke angesichts niedrigerer Emissionen weiterzubetreiben oder neue zu bauen (Thunberg). Um den Energiehunger des grünen Kapitalismus auszuweiten, wird das Netz der Zerstörung unaufhörlich ausgeweitet – und egal ob sich der Kapitalismus grün nennt oder nicht, er beruht immer auf Extraktivismus, Kolonialismus und Ausbeutung, auf Minen, Fabriken, Konsumtempeln und technologisch-militärischer Aufrüstung.

Alles anders!

Wir schlagen einen Bruch mit der dominanten religiös-wissenschaftlichen Ideologie vor, welche immer neue Rechtfertigungen und Pseudo-Lösungen für die Beherrschung und Zerstörung der Natur vorbringt. Es ist an der Zeit mit der ganzen christlichen Tradition der Kolonisierung und des Genozids zu brechen und die Idee, dass uns dieses industrielle System Fortschritt und Glück bringen würde, auf dem Müllhaufen der Geschichte verschwinden zu lassen. Innerhalb von weniger als fünf Generationen hat es der industrielle Kapitalismus geschafft, das komplette Überleben der Mensch- und Tierwelt zu bedrohen. Innerhalb nur eines Jahrhunderts hat uns die Technologie und die Fortschrittsideologien unterschiedlichster politischer Couleur Elektrifizierung, Urbanisierung, Massenvernichtungswaffen, industriellen Massenmord, Atombomben, Internet, Smartphones, Quantencomputer und Gen-Editing beschert. Das worauf wir zuschlittern, ist keine Naturkatastrophe, sondern eine soziale Katastrophe – ein gesellschaftliches System, dass mittels eines globalen industriellen Systems dabei ist, alle Lebensgrundlagen zu zerstören. Diese Katastrophe spielt sich minütlich ab: Pro Minute werden 30 Felder Regenwald gerodet, in der selben Zeit schmelzen eine Millionen Tonnen Grönlandeis. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf der Ökonomie. Und sekündlich klingeln die Kassen der Aktionäre. Diese soziale Katastrophe, diese Ökonomie der Zerstörung hat klare Profiteure und Verantwortliche – sie geht auf Kosten der Armen und Marginaliserten – während die Agrar- und Fleischindustrie, welche den Regenwald abholzt; die Öl- und Chemieindustrie, welche die Meere und die Böden vergiftt; während Monsanto-Bayer, welche mit ihren Pestiziden 60 Prozent des Insektensterbens verantwortlich sind; während die Technologie- und Autoindustrie und die Energieriesen und Energiefirmen; die Minenbetreiber, die Industriellen und Banken und viele weitere weiterhin fette Profite abschöpfen…

Wir sind keine Apokalyptiker:innen, die angesichts einer drohenden Katastrophe die Hoffnung auf ein neues Himmelreich schüren. Tatsächlich sind wir ziemlich verzweifelt. Aber Verzweiflung kann auch entschlossen machen. Auch inspirieren uns die überall auflodernden Initiativen und Kämpfe gegen die voranschreitende Zerstörung. Wir denken an Lützerath und die Vielfältigkeit von Aktionen, die in ihrer Ablehnung der monströsen Mine geeint waren. Uns kommen all die feurigen Angriffe in den Sinn, welche sich mit diesem Kampf solidarisiert haben. Wir denken an die neue Generation von Klimaaktivist:innen, deren Reformismus uns zwar teils naiv erscheint, die wir nichtsdestotrotz für ihre Entschlossenheit wertschätzen. Wir hören und lesen von den indigenen Wet‘suwet‘en im kanadischen British Colombia, die seit Generationen gegen Infrastrukturprojekte des kolonialen Staates und für die Verhinderung des Baus von Gaspipelines kämpfen – genauso wie an die rebellischen Gemeinschaften der Mapuche, die im Süden Chiles und Argentiniens seit Jahrhunderten für ihre Autonomie und auch gegen Wind- und Wasserstoffparks der Kolonisierer:innen kämpfen. Auch kommen uns die hunderten Angriffe auf Antennen und Glasfaserkabel in Frankreich in den Sinn, die den stetigem Ausbau des technologischen Netzes behindern, als auch der reichhaltigen Erfahrungsschatz aus vergangenen Kämpfen gegen die Atomindustrie, in welchen sich vielfältige Formen von Ungehorsam, Solidarität und Sabotage ergänzt haben. All das und noch viel mehr schwebt uns durch den Kopf, wenn wir sagen, dass wir gewillt sind entschlossener denn je diese globale kapitalistische Industrie zum Stillstand zu bringen, die nichts als Leid und Zerstörung bringt. Und das mit selbstbestimmten, offensiven und kreativen Mitteln, deren Vielfältigkeit grenzenlos ist – ebenso wie die möglichen Kämpfe gegen das industrielle System der Zerstörung.

Genauso wie wir die totale Idee der Unterwerfung der Natur ablehnen, haben wir kein allumfassendes Konzept im Ärmel, wie alles anders aussehen soll. Vielleicht liegt das Problem auch darin, einzelne Lösungen und Ideologien zu suchen und ihnen auf den Thron zu verhelfen, anstatt abertausende selbstständige und selbstbestimmte Lösungen nebeneinander zu schaffen, die sich gegenseitig wertschätzen und frei kommunizieren können, anstatt sich zu bekriegen, zu unterwerfen und auszubeuten.

Für eine Welt in der wir in Harmonie
und als Teil der Natur leben.
Legen wir die Industrie der Zerstörung lahm

Gefunden auf antisistema.blackblogs.org